LACHEN IST ETWAS SEHR HEILIGES, besonders für uns Indianer. Für Menschen, die arm sind wie wir, die alles verloren haben, die soviel Trauer und Tod ertragen mußten, ist das Lachen ein wertvolles Geschenk. Als wir an den Krankheiten, die uns der weiße Mann brachte, wie die Fliegen starben, als man uns in die Reservationen trieb, als die Essensrationen der Regierung nicht eintrafen und wir am Verhungern waren — zu solchen Zeiten muß es ein Segen gewesen sein, den Possen eines Heyoka* zuzusehen.
Possenreiser
AUCH DER MENSCH BESTEHT AUS VIELERLEI. Woraus immer die Luft ist, die Erde, die Kräuter, die Steine, all das ist auch Teil unserer Körper. Wir müssen wieder lernen, wir selber zu sein und die Vielfalt in uns zu fühlen und zu entdecken. Wakan Tanka, das Große Geheimnis, lehrt Tiere und Pflanzen, was sie tun sollen. In der Natur gleicht nichts dem anderen. Wie verschiedenartig sind die Vögel! Einige bauen Nester, andere nicht. Manche Tiere leben in Erdlöchern, andere in Höhlen, andere in Büschen. Wieder andere kommen überhaupt ohne Behausung aus. Sogar Tiere derselben Art — zwei Hirsche, zwei Eulen — verhalten sich unterschiedlich. Ich habe viele Pflanzen aufmerksam betrachtet. Von den Blättern einer Pflanze, die alle auf demselben Stengel wachsen, ist keines ganz wie das andere. Auf der ganzen Erde gibt es keine zwei Blätter, die einander völlig gleichen. Der Große Geist hat es so gewollt. Für alle Ge- schöpfe auf der Erde hat er den Lebenspfad bloß im großen vorgezeichnet; er zeigt ihnen die Richtung und das Ziel, läßt sie aber ihren eigenen Weg dorthin finden. Er will, daß sie selbständig handeln, ihrem Wesen gemäß und ihren inneren Kräften gehorchend. Wenn nun Wakan Tanka will, daß Pflanzen, Tiere, sogar die kleinen Mäuse und Käfer, auf diese Weise leben — um wieviel mehr werden ihm Menschen, die alle dasselbe tun, ein Greuel sein: Menschen, die zur selben Zeit aufstehen, die gleichen im Kauffiaus erstandenen Kleider anziehen und dieselbe U-Bahn benützen, die im selben Büro sitzen, die gleiche Arbeit verrichten, auf ein und dieselbe Uhr starren und — was am schlimmsten ist — deren Gedanken einander zum Verwechseln ähnlich sind. Alle Ge- schöpfe leben auf ein Ziel hin. Selbst eine Ameise kennt dieses Ziel — nicht mit dem Verstand, aber irgendwie kennt sie es. Nur die Menschen sind so weit gekommen, daß sie nicht mehr wissen, warum sie leben. Sie benützen ihren Verstand nicht mehr, und sie haben längst vergessen, welche geheime Botschaft ihr Körper hat, was ihnen ihre Sinne und ihre Träume sagen. Sie gebrauchen das Wissen nicht, das der Große Geist jedem von uns ge- schenkt hat, sie sind sich dessen nicht einmal mehr bewußt, und so stolpern sie blindlings auf der Straße dahin, die nach Nirgendwo führt — auf einer gut gepflasterten Autobahn, die sie selber ausbauen, schnurgerade und eben, damit sie umso schneller zu dem großen leeren Loch kommen, das sie am Ende erwartet, um sie zu verschlingen.